Circus der fernen Sinne

Es bleibt ein offenes Spiel. Wenn sich unsere beiden Fernsinne in der Arena des Circus  gegenüberstehen, ist es niemals sicher, ob es bei diesem medialen  Aufeinandertreffen zu einem Zusammenspiel oder eher zu einem Kräftemessen kommen wird. Das Programm reicht hier von den versöhnlichen Reigen des Tanzes, über den Wettstreit des schnelleren und besseren, bis hin zum Kampf um Leben und Tod der Gladiatoren.

colosseum

Circus bedeutet natürlich auch Inszenierung. Durch die steinernen Arkaden hindurch tritt man langsam ein in eine Welt der Schau. Die Ästhetik des Alltags haben wir vor den Bögen zurückgelassen, um nun vollends einzutauchen in den geschlossenen Kreis von Tribüne und sandigem Zirkel.
Was wir hier erleben ist mehr als nur ein unterhaltsames Spektakel sondern vielmehr ein theatralischer Grenzgang. Das normale Leben ist vor den Toren geblieben, damit wir im Inneren das Außergewöhn-liche wiederfinden. Wir tauchen ein in eine Oase der Außerordentlichkeit, in einen geschlossen Ring, der jenseits der Regeln der öffentlichen Ordnung zu liegen scheint. Die Grenzen von Ethik und Ästhetik werden hier bewußt fallen gelassen. Diese Lokalität läßt uns die Dinge freier, ungehemmter, aber auch unverblümter betrachten. Die Arena wird hier Versuchsfeld, das nun Gelegenheit zu einer  unbeschwerten Betrachtung des Geschehens bietet. Der Circus läßt uns so nicht nur an einem Spektakel, sondern auch an einem Experiment teilnehmen.

circus

Die Protagonisten des Circus der fernen Sinne bewegen sich also im Grenzbereich zwischen Schauspieler und Versuchsobjekt. Seh- und Hörsinn präsentieren  sich hier  zumeist nicht im alltäglichen Gewande, sondern im Sande vollzieht sich ein Verkleidungsspiel, bei dem jeder Sinn versucht bis an seine Schranken zu gelangen. Dieses Spiel mit der zweiten Haut ist mannigfaltig und gewährt  einen weiten aber auch tiefen Einblick in das Wesen der Sinne. Die sinnlichen Barrieren werden hierbei besonders deutlich, wenn der eine in das Kostüm des anderen schlüpft. Maskerade wird so zur Wesensschau.

Das Spiel mit der Hülle bedeutet im eigentlichen Sinne aber, daß im Ring weniger die gemeinten Sinne stehen. Im Fokus befinden sich wohl mehr Betrachtungs- und Vorstellungsweisen. Tatsächlich stehen unsere Empfindungen und Theorien, die wir auf sinnliche Phänomene projizieren, auf dem »Prüfsand«. Auf einmal müssen wir unterscheiden zwischen dem, was wir wahrnehmen und dem, was wir bisher für wahr gehalten haben.
Doch ist der Circus kein akademischer Zirkel. Es kann hier nicht darum gehen, die Essenzen der fernen Sinne zu ergründen. Vielmehr ist es ein Spiel mit den vermeintlichen Gründen und Begründungen, ohne sie dabei aber der Lächerlichkeit preiszugeben.
Der Zirkel versteht sich lieber als ein Kaleidoskop des Visuellen und Auditiven, das sich immer wieder in neuen Farben und Formen offenbart.